
Als klassisch studierte Cellistin habe ich Jahre damit verbracht, nach Perfektion zu streben. Fehlerfrei spielen, immer unter Kontrolle bleiben, nie aus der Reihe tanzen - so sah mein Alltag aus. Erst als ich begann, meinem inneren Kind wieder zuzuhören, hat sich mein Blick auf Musik und Kreativität grundlegend verändert.
1. Neugier ist wichtiger als Perfektion.
Im Klassikstudium und im Orchester war fehlerfrei das A & O: makellose Intonation, das passende Vibrato, üben mit Metronom, Anpassen an die Gruppe, nicht zu laut - nicht zu leise, nicht zu viel führen - aber auch nicht zu wenig. Es hat lange gedauert, diesen Druck loszulassen. Heute weiß ich: Die Magie entsteht, wenn der Kopf schweigt - dann spielen die Finger wie von selbst. In diesen Momenten spüre ich: Das ist größer als ich. Genau das ist Kunst.
2. Fehler sind kein Scheitern, sondern Türöffner.
Ich erinnere mich an eine Bandprobe, in der wir uns alle nicht kannten. Wir haben einfach frei improvisiert - eine halbe Stunde lang. Danach waren wir so geflasht, dass jemand sagte: "Warum hat das keiner aufgenommen? Wir hätten eine CD daraus machen können." Genau solche unerwarteten Töne sind Einladungen, anders zu hören, anders zu denken, anders zu fühlen. Ohne sie hätte ich meine spannendsten Ideen nie gefunden.
3. Spielen ohne Ziel führt zu den besten Ideen.
Ich spiele oft einfach drauf los - am Cello, am Klavier oder über eine geloopte Idee. Einmal suchte ich nach einer Lösung, weil ich für einen 15-minütigen Auftritt meine Loopstation nicht mitschleppen wollte. Also improvisierte ich - und fand eine viel bessere Idee als das, was ich ursprünglich geplant hatte. "Herumnudeln" klingt unproduktiv, aber genau daraus entstehen meine besten Einfälle. Mein Tipp: Nimm dich immer dabei auf, denn sonst ist der Einfall genauso schnell weg, wie er kam.
4. Mut zur Albernheit macht dich freier - auch auf der Bühne.
Früher war ich bei Probespielen oft aufgeregt und verkrampft. Neulich aber habe ich in so einer Situation gelacht - einfach, weil mir ein Fehler passiert ist. Dieses Lachen hat nicht nur meine Nervosität gelöst, es hat mir auch Pluspunkte bei der Jury eingebracht. Albernheit, kleine Wortspiele oder das Übernehmen von Schüler-Ausdrücken wie "Tempomat" statt "Metronom" bringen Leichtigkeit - und machen mich menschlicher. Denn immer erwachsen wirken zu wollen, macht innerlich steif und lässt einen äußerlich alt wirken. Lachen hält jung.
5. Staunen hält lebendig.
Mein Staunen ist am größten, wenn das Publikum plötzlich mit mir atmet - wenn Menschen meine Songs mitsingen, als wären wir ein Chor, oder wenn sie von selbst auf 2 und 4 mitschnipsen, ohne dass ich es anleite. Solche Momente erinnern mich daran: Staunen hält nicht nur lebendig, sondern bringt auch neue Ideen. Wer glaubt, "es geschafft" zu haben, ist bereits auf der ersten Stufe seines Abstiegs.
6. Regeln sind da, um gebrochen zu werden.
Sobald ich die Regel, perfekt spielen zu müssen, loslasse, mache ich nicht nur schönere Musik sondern auch weniger Fehler und höre den anderen besser zu. Einmal sind wir tatsächlich im Konzert alle synchron 20 Takte gesprungen, weil die Geigerin sich verhaspelt hat. Das Publikum hat es nicht einmal bemerkt. Auch die Regel, Konzerte im gediegenen Schwarz zu spielen, gilt für mich nicht mehr: Heute trete ich in bunten, auffälligen Bühnenoutfits auf. Und im Umgang mit dem Publikum breche ich Regeln gern, indem ich nicht nur spiele, sondern singe, animiere und Geschichten erzähle.
7. Ausdruck steckt mehr an als techniK.
Bei einem Auftritt war ich eigentlich als Cellistin gebucht - und sollte nebenbei drei Lieder singen. Doch das Publikum hat mir beim Singen viel intensiver zugehört als beim Cello. Das war ein entscheidender Moment: Technik ist ein Werkzeug, ja - aber Ausdruck erreicht die Menschen im Herzen. Ich sehe es in den Augen der Zuhörer, wenn sie mit einem Lächeln oder sogar mit einem Tränchen nach Hause gehen.
8. Kreativität kennt eine Tageszeit.
Es gibt Studien darüber, dass man morgens eher technische Abläufe üben sollte - während man abends kreativer ist. Meine besten Ideen habe ich nachts - oft nach 22 Uhr oder in den frühen Morgenstunden. Und wenn zu viele Gedanken kreisen, dann helfen mir Spaziergänge, um den Kopf frei zu bekommen. Oft mit meiner Katze Aida an der Leine. Sie zeigt mir mit ihrem kindlichen Staunen, wie viel Inspiration draußen liegt, wenn man die Augen offenhält.
9. Dein Date mit deiner Kreativität.
Kreativität ist wie ein Muskel: Wenn man ihn nicht benutzt, dann verkümmert er. Selbst wer glaubt, "nicht kreativ" zu sein, kann diesen Muskel trainieren. Das Geheimnis ist Regelmäßigkeit. Ich gebe zu: Auch ich schaffe es nicht immer, mir feste Zeitfenster für meine Kreativität einzuplanen. Aber wenn ich es tue, dann merke ich, wieviel Energie ich daraus ziehe. Dann brauche ich keine Pause, weil mich das kreative Flow beflügelt - und besser wirkt als jeder Urlaub.
10. Musik darf leicht sein - auch dann, wenn sie tief geht.
Ich spreche in meiner Musik oft emotionale Themen an. Doch selbst in dieser Tiefe versuche ich, Leichtigkeit zu bewahren. Einmal habe ich auf der Loopstation den falschen Knopf getreten und spontan gesagt "Ich lass mich nicht vertreten - ich vertrete mich selbst." Genau solche Wortspiele zeigen mir: Leichtigkeit macht Tiefe erst zugänglich. Je authentischer wir sind, desto stärker berührt es das Publikum.
FAZIT: Mein inneres Kind hat mir beigebracht, dass Kreativität nicht im Perfektionismus, sondern im Spielen liegt. Dass Fehler Geschenke sein können. Und das Leichtigkeit genauso wichtig ist wie Tiefe.
Wie ist es mit dir? Traust du dich, dein inneres Kind an die Hand zu nehmen - und mit ihm spielerisch deine Kreativität zu entdecken?
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